Im Gespräch mit

Corinne Smith

Gemeinschaft
Mai 2022

Corinne Smith for Pride CollectionCorinne Smith for Pride Collection

Pronomen: Sie/They

Aktivismus ist nicht nur, einen Protest anzuführen. Es bedeutet auch, die Community durch soziale Arbeit zu unterstützen. Aktivismus ist auch das Low-Fi-Video, das du machst, damit du dich ein bisschen weniger einsam in der Welt fühlst. Zum Aktivismus gehört auch die Schwarze, queere Multimedia-Künstlerin Corinne Smith, die auch als Critty Smitty bekannt und beliebt ist. Sie macht aus Farben bewegende Entdeckungsreisen der Freude, mitten durch Trauer und Verlust, und ist der beste Beweis, dass Kunst Aktivismus ist.

Corinne

Lass uns mit deiner künstlerischen Karriere beginnen.

Ich mache schon so lange Kunst, wie ich denken kann. Ich hatte viele soziale Ängste, als ich jünger war und drückte meine große Vorstellungskraft beim Malen aus. Nach dieser reichen, positiven Verbindung zur Kunst, machte ich im College schlechte Erfahrungen. Dort habe ich realisiert, dass die Welt viel grausamer auf die Kunst blickt, dass Feedback und Kritik nie konstruktiv sind. Das hat dazu geführt, dass ich länger nicht künstlerisch gearbeitet habe. Vorher war die Kunst ein geschützter Raum und eine emotionale Ausdrucksform für mich, aber da hat sie mir nur Schmerz bereitet, weil ich mit Lehrkräften gearbeitet habe, die meistens weiß waren und andere ethnische Hintergründe nicht zwangsläufig verstanden haben. Es ist echt interessant, dass ich mich in meiner queeren Identität nie ausgeschlossen gefühlt habe, sehr wohl aber als Frau, und darüber hinaus, als Schwarze Frau. Deshalb spielt in meiner Kunst auch die Intersektionalität und die Art, wie ich für andere in diesen unterdrückenden Systemen einstehe, eine große Rolle.

An welchem Punkt wurde aus deiner Kunst Aktivismus?

Der große Auslöser war George Floyds Ermordung und die Proteste, die sie auslöste – sowohl überall auf der Welt, als auch hier in Oakland. Viele Gebäude wurden verbarrikadiert und es gab den Aufruf, die Ereignisse künstlerisch zu kommentieren. Es war so eine harte, niederschmetternde Zeit. Es gab noch keine Impfungen und ich habe mich sehr isoliert gefühlt. Abgesehen von den Auto-Protesten wusste ich nicht, wie ich mich beteiligen und gleichzeitig sicher fühlen konnte, also habe ich mich auf eine Ausschreibung für Wandbilder in der Stadt gemeldet. Mein erstes Mural war eine Kombination aus gestischen, fröhlichen Farben und zeigte ein Bild von mir, wie ich Angela Davis anschaue, eine starke Figur der Black Panther Party, eine starke, queere Frau aus Oakland, die die Arbeit derer fortsetzt, die unseren Weg geebnet haben.

Corinne

Und nachdem ich so lange in meinem kleinen Haus war und nicht wirklich Kontakt zu Menschen hatte, hat es mir so viel Freude bereitet, in Oakland zu arbeiten. Dort zu malen und mit den Leuten, die zu mir kamen, über die Kunst zu sprechen, hat mir ein greifbares, fröhliches Gefühl der Verbundenheit zur Community gegeben. Jetzt kommt meine Kunst immer aus einem positiven Blickwinkel, weil ich weiß, wie isolierend sich Einsamkeit anfühlen kann, und wie es ist, wenn alles ein schmerzhafter Kampf ist. Diese Arbeit war der Auslöser für mich, Kunst als Aktivismus zu sehen, und sie hat mir gezeigt, wie radikale Freude eine eigene Form des Aktivismus ist.

Wer hat dir den Weg geebnet?

Nach meinem ziemlich späten Coming-Out habe ich erfahren, dass mein Großvater – die Person, mit der ich aufgewachsen bin – queer war. Wir waren immer schicksalhaft verbunden. Während der Großen Depression zogen meine Großeltern nach Detroit, und meine Onkel und Tanten wurden in den 40ern und 50ern geboren, das war eine ganz andere Zeit. Ich glaube, seine Queerness war ein Streitpunkt zwischen meiner Mutter, ihren Schwestern und meiner Großmutter.


Alles, was mein Großvater versucht hat, um offen zu leben und für seine Familie da zu sein, hat mich hierher geführt. Er hat auf jede Weise meinen Weg geebnet. Er hat dazu beigetragen, dass meine Mutter auf die Welt gekommen ist, ohne die ich gar nicht hier wäre. Er hat mir ein Leben in einer Zeit ermöglicht, in der ich sicherer bin als er es damals war, und in der ich ein erfülltes Leben führen kann. Ich kann mich von Traditionen und Erwartungen lösen und mich für meinen eigenen Herzensweg entscheiden.

corinne

Corinne

Welchen Einfluss haben deine intersektionalen Identitäten auf die Art, wie du dich in der Welt bewegst?

Sie beeinflussen alles. Ich glaube, meine größte Stärke ist die Empathie. Und einen großen Teil dieser Empathie habe ich, weil ich als cis Frau durchs Leben gegangen bin, weil ich als Schwarze Frau durchs Leben gegangen bin. Als ich mein Coming-Out in meiner Familie hatte, sagten sie, dass sie mich bedingungslos lieben, das war das Beste, das mir passieren konnte. Das erste, was meine Mutter meinte, war so etwas wie: „Du weißt, du bist schon eine Schwarze Frau.“ Sie sagte es nicht enttäuscht, aber sie wollte herausstellen, dass das jetzt noch zu all den Dingen dazu kam, die schon gegen mich sind.


Die intersektionalen Identitäten haben mich so beeinflusst, dass ich jemand bin, die immer auf andere Menschen aufpasst. Sie haben mich so geformt, dass ich mich immer mit Leuten zusammensetzen will, selbst, wenn sie gar nichts zu sagen haben. Eine Sache, die ich gelernt habe, ist, dass viele Leute sich nicht immer sicher fühlen, wenn sie ihre Bedürfnisse und Sorgen äußern, weil sie nicht aus einer Umgebung kommen, in der das gefördert wurde. Ich glaube, meine Erfahrungen haben mich zu einem Menschen gemacht, der den meisten grundsätzlich Raum zum Zweifeln und Lernen gibt. Ich gebe mir ihn auch, weil ich es definitiv auch nicht immer richtig mache.

Welche Taten – groß oder klein – vollbringst du in deinem Alltag, damit sich die Welt verändert?

Die kleinen Dinge sind so wichtig. Ich weiss, dass der Druck, die größte Geste zu zeigen, immens hoch ist, aber mach einfach, was geht. So ganz groß kann ich nicht für jede*n da sein, aber im Kleinen geht das. Das kann dann so aussehen, dass ich etwas direkt spende oder jemandem ein Essen zubereite. Oder, dass ich extra viel einkaufe und Kekse für den gemeinnützigen Kühlschrank backe. Vielleicht hat jemand Schwierigkeiten, die Miete zusammenzubekommen, vielleicht ist bei jemandem gerade eine geliebte Person krank oder gestorben. Vielleicht fühle ich mich dazu berufen, eine Blumenessenz für einen Menschen herzustellen, der mit etwas zu tun hat, das ihn emotional belastet, vielleicht schicke ich auch jemandem eine Karte. Und außerdem unterstütze ich auf Patreon einige Künstler*innen, Autor*innen und Aktivist*innen.


Viele Menschen brauchen mehr Hilfe, als sie zugeben wollen. Deshalb glaube ich, dass eine der größten Dinge, die du tun kannst, nachfragen ist. Manchmal ist es wirklich nur die Frage. Die Leute mögen vielleicht gar nichts brauchen, aber dass du fragst, macht einen großen Unterschied. Positivität in die Welt zu tragen, ist etwas ganz Kleines, das du tun kannst.

Du hast ein bewegendes Stück kreiert, auf dem steht „YOU CAN’T STEAL MY JOY.“ Was war deine Inspiration für diese energetische Aussage im Zentrum dieser Arbeit?

Freude ist so ein radikaler Akt. Meine Partnerin teilte etwas, das sie las und sich darauf bezog, dass Freude ein Muskel ist, den du aktiv benutzen musst. Nach einem der zermürbendsten Jobs zurück zur Kunst zu kommen, brachte mir die Freude zurück. Ich arbeitete 60 Stunden die Woche, in einer Rolle, die mich nicht erfüllte, an einem Arbeitsplatz, an dem Rassismus und Sexismus weit verbreitet waren. Da habe ich verstanden, dass nur ich selbst mir Freude bereiten kann. Und niemand kann mir diese Freude wegnehmen.

So begann ich, diese Freude zu kultivieren. Ich fing an, mehr spazieren zu gehen, mehr Zeit in der Natur zu verbringen und mehr Aquarelle zu malen – und all das führte dazu, dass ich mich so viel besser fühlte. Ich muss das tun, was mir Freude bereitet, sonst verliere ich meine Energie. So bin ich auf diesen Satz gekommen. Du kannst mir vieles wegnehmen, aber nicht meine Freude.

Corinne Blog
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In einer Welt, in der von queeren Menschen erwartet wird, sich leise zu verhalten – gerade die, die mehrere Formen von Unterdrückung erleben – was gibt dir den Mut, Veränderungen zu bewirken?

Ich denke, ein entscheidender Moment war, als ich einen der toxischsten Jobs, den ich je hatte, kündigte, um mein eigenes Ding zu machen. In dem Job konnte ich zwar viel tun und mich für Menschen in meiner Umgebung und die Teams einsetzen, für die ich verantwortlich war, aber ich habe noch immer für jemanden gearbeitet und konnte deshalb immer nur ein bestimmte Menge tun. Ich fühlte mich nicht sicher und konnte die Sicherheits-Bubble derer, die mir dort am Herzen lagen, nicht kontrollieren. Das musste ich ansprechen – und das tat ich auch. Ich habe sie zur Verantwortung gezogen. Ich bin ziemlich deutlich und gebe Menschen den Raum zum Lernen und Wachsen.

ICH WÜNSCHE MIR EINE WELT, IN DER MENSCHEN IHR LEBEN ALS IHR VOLLES SELBST LEBEN KÖNNEN, SICH SICHER UND WOHL IN IHREN KÖRPERN FÜHLEN, EINE WELT, IN DER WIR DIESE DISKUSSION NICHT FÜHREN MÜSSTEN.

Was sind deine kühnsten Träume für die queere Community?

Meine kühnsten Träume sind gar nicht besonders kühn, ich wünsche mir nur, dass die Menschen einfach sein können. Ich möchte einfach die Straße runterlaufen, ohne dass jemand etwas zu mir sagt. Ich möchte, dass niemand im Bus aufsteht, weil ich neben ihm oder ihr sitze. Ich möchte einfach etwas sagen können, ohne dass andere das kommentieren oder überrascht sind, dass ich gebildet bin und deutlich spreche. Ich möchte, dass Menschen unbekümmert ihre Leben leben können, und zwar nicht so, dass die Leute nur im direkten Kontakt zu dir nett sind oder nur so lange nett sind, bis du an ihren Privilegien kratzt. Ich wünsche mir eine Welt, in der Menschen ihr Leben als ihr volles Selbst leben können, sich sicher und wohl in ihren Körpern fühlen, eine Welt, in der wir diese Diskussion nicht führen müssten.

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What are some conversations you would like to hear more of as we’re working towards queer liberation?

Kinder sind die Zukunft. Ich glaube, es ist wichtig, sich mit jüngeren Generationen darüber zu unterhalten, was es bedeutet, queer zu sein, queere Vorbilder zu haben und wie wir uns gegenseitig behandeln. Ich würde gern mehr Gespräche darüber hören, dass wir alle verschieden sind, wie diese Verschiedenheiten sich äußern und was angemessen ist und was nicht … das ist ja etwas, das sich ständig weiterentwickelt. Als ich in der Grundschule war, gab es viele der Begriffe für verschiedene Identitäten noch gar nicht. Es war so erhebend, endlich einen Menschen zu treffen, der sich als pansexuell bezeichnete — es ist so schön, dich in einem Wort wiederzuerkennen. Als Kind hatte ich das nicht, da warst du entweder queer oder straight. Du konntest damals nicht bisexuell sein, das gab es einfach nicht. Es gab all diese Parameter. Und ich finde, es ist wichtig, diese Parameter kritisch zu hinterfragen, warum sind sie da, warum reichen sie nicht aus. Weil wir alle verschieden sind. Das sollten wir alle schon in jungen Jahren lernen.

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Und in diesem Sinne, was würdest du der Nachwelt gern hinterlassen?

Irgendwann hätte ich gern ein Kind. Oder Kinder, wer weiß? Ich würde es so schön finden, dass sie nicht so aufwachsen müssten, wie ich. Ich hatte schon viele Privilegien, aber es gibt immer noch Themen, mit denen ich klar kommen muss, und klarkommen werden muss. Ich würde schön finden, wenn Menschen durch mich wissen, dass sie ihren eigenen Wert und ihre eigene Autonomie außerhalb der Bewertung durch andere Menschen finden können. Dass, wenn sich etwas falsch anfühlt, wahrscheinlich auch etwas falsch ist. Ich möchte ein ermächtigendes, bedeutungsvolles, fröhliches Leben führen. Und ich würde schön finden, wenn alle Menschen sich ermächtigt, bedeutungsvoll und fröhlich fühlen können. Ich möchte, dass alle Menschen wissen, dass sie nicht falsch sind, weil sich wegen ihnen jemand anders unbehaglich fühlt.


Und letzten Endes wird es immer etwas geben, das sich deiner Kontrolle entzieht. Es wird vieles geben, das dich traurig macht. Ich wünsche niemandem, traurig zu sein, aber es wird passieren. Und dann hoffe ich, dass du lernen kannst, dich auf die Traurigkeit genauso einzulassen wie auf Freude, weil Traurigkeit für Freude hilfreich sein kann.

Du kannst Corinne ihre Freude nicht wegnehmen, aber du kannst deine eigene finden.

Wenn du genauso bewegt von Corinnes Kunst bist wie wir, kannst du sie downloaden (also die Kunst). Nutze sie als Bildschirmhintergrund. Klebe sie an deine Schlafzimmertür. Mache eine Schablone daraus und verewige sie auf deiner 501®. Nutze Farbe dafür (Bleiche geht auch). Hauptsache, du machst es zu deinem.


Überlassen Sie das lieber den Profis (also uns)? Kommen Sie zu Ihrem Levi's® Tailor Shop und wir zaubern für Sie.


Dieses Interview wurde aus Gründen der Länge und Verständlichkeit bearbeitet.